少女和狮子


Das singende, springende Löweneckerchen


从前,有一个商人准备出门作一次短途旅行。 他有三个女儿,出门前,他问他的女儿们想要自己给她们带什么礼物回来。 大女儿说她想要珍珠,二女儿说想要宝石,但小女儿却说道:"亲爱的爸爸,给我带一枝玫瑰花来吧。"当时正是冬天寒冷时节,要买到玫瑰花可以说是一件不可能的事。 爸爸知道这个最漂亮的女儿对花儿情有独钟,所以,他还是答应她尽一切努力为她带一枝玫瑰花回来。 亲吻了三个女儿之后,父亲告别她们出发了。
当商人返程回家时,他为二个大女儿买到了他们所要的珍珠和宝石,可不管他到哪个地方,要想为小女儿找到玫瑰花却是白费气力。 当他到各地的花园寻求玫瑰花时,人们都嘲笑他,问他是不是认为玫瑰花是在冬天里生长开花的。 受到嘲弄,他感到很伤心,但为了他那最可爱的小女儿,他并不在乎,心里仍然想着回去该给她带点什么东西。 最后他来到了一座美丽的城堡,城堡四周都被花园环绕着。 非常奇特的是花园一半似乎是春暖花开的季节,另一半却是严冬的景象;一边是满园最美丽的鲜花竞相开放,一边是花草荒芜,白雪覆盖。 商人不由得对他的仆人说:"啊!真是太幸运了!"说完,就让仆人到玫瑰花圃那儿去为他采一枝玫瑰花。 拿到了玫瑰花,他们格外高兴,正准备离开时,一头凶猛的狮子跳了出来,咆哮着说道:"无论是谁敢偷摘我的玫瑰花,我就要吃掉谁。"商人吓坏了,他战战兢兢地说道:"我不知道这花园是属于你的,有什么办法能救我一命吗?"狮子说道:"不能!没有什么办法能救你,除非你答应把你回家时最先看到的东西送给我。如果你同意这个条件,我就不吃你,连玫瑰花也送给你的女儿。"但商人不愿意答应这条件,他说道:"我的小女儿最爱我,每次回家她总是最先跑出来迎接我,我回家最先遇到的可能正是我的小女儿。"此时,他的仆人吓得不得了,说道:"也许最先遇见的是一只猫,或者是一只狗。"最后,商人怀着一种侥幸的心理和沉重的心情,被迫同意了。 他拿着玫瑰花,答应狮子把他回去时最先遇到的东西送来。
就在商人回到家门前时,他那最小最可爱的女儿首先看到了他,马下飞跑出屋,迎上前来用亲吻欢迎他的归来。 她看到他带回给她的玫瑰花时,更加兴高采烈起来。 但她的爸爸心情却开始忧愁起来,悲叹着说道:"天哪!我最亲爱的孩子!这朵花是我用高价买来的,为了它,我已经答应把你送给一头凶猛的狮子了。它得到你时,一定会把你撕成碎片,然后将你吃掉。"说完,把事情的经过都告诉了她,说准备让她不去,最终的结果会怎样就听天由命吧。
但她女儿听了之后,安慰他说:"亲爱的爸爸,你必须履行自己的诺言。我要到狮子那儿去,并设法驯化它,它也许会让我安然无恙地回家来的。"
第二天早晨,她问清楚去路,告别了父亲,大胆地踏进了森林。 其实,那头狮子是一个被施了魔法的王子,在大白天,他和他的大臣们都被变成狮子的形象,到了晚上又一起变回正常人的样子。 当这位少女来到城堡时,狮子非常有礼貌地迎接她的到来,并向少女求婚,少女同意了他的请求。 盛大的结婚宴会举行之后,他们在一起幸福地生活了很长一段日子。 每当夜晚降临,王子就来了,他召集大臣进见、和她相会,但天一亮就离开新娘,独自而去,她不知道他去了哪儿,但每到夜晚他又会回来,天天都是这样。
有天,王子对她说:"明天你的大姐姐结婚,你爸爸要在家里举行一个盛大的喜庆宴会,如果你想去看看他们,我就让我的狮子带你去那里。"这对时时刻刻都想去看看父亲的她来说,真是太高兴了。 第二天她和狮子们一道出发了,每个看到她的人都格外的高兴。 因为他们认为她被狮子咬死已经很久了,现在又看到她回来觉得真不容易。 她告诉他们自己现在生活得很幸福。 她在家一直待到婚宴结束才返回森林里去。
不久,二姐又要结婚了,她也被邀请去参加结婚典礼。 她对王子说:"这次你必须和我一同前往,我一个人是不会去的。"但他不同意,说这是一件非常危险的事情,因为只要有一丝灯火的光照着他,他身上的魔法就会更加邪恶,他会被变成一只鸽子,要被迫在世间到处飞行七年。 可她却不答应,还说她会细心照料,不会让一丝灯火的光线照到他身上的。 最后他俩一起出发了,还带上了他们的孩子。 到家后,她选择了一间墙壁很厚的大厅,让他待在里面。 但不幸的是厅门之上有一条裂缝,谁也没有发现。
盛大的婚礼举行了,就在结婚队伍从教堂返回经过这座大厅时,队伍里举着的火炬有一丝光线从厅门的裂缝射进了大厅,正好照在王子的身上。 刹那间,王子消失了,等他妻子进来找他时,只发现一只白色的鸽子。 他对她说:"我必须在世界各地到处飞行七年,而且时常会掉落一根白色的羽毛,那是我给你指出我去的方向,你跟着它,最终就会追上我,从而解救我,让我获得自由之身。"
说完,他飞出了大门,她紧跟着鸽子毫不犹豫地追去。 他飞啊! 不停地飞! 她追啊! 不停地追! 在天地之间的广阔世界里,她循着他不时掉落的白色羽毛指引之路,勇往直前;她心身合一,对世间万事不闻不问,决不旁顾;她也不休息,不睡觉。 整整七年终于就要过去了,她心情开始兴奋起来,以为一切艰难困苦和烦恼忧愁都会随着七年的到来而结束。 然而,现实却将她们美好的希望击得粉碎:一天,她正在路上追寻着,却怎么找也找不着白色羽毛了。 她抬眼在天空搜寻,别说是白鸽,就连鸟的影子都没看到。 "老天爷--,"她长叹一声,"没有人能帮助我了!"
她迎着太阳走去,对着太阳说道:"太阳啊!你的光辉普照在大地之上,你俯视着群山、峡谷,你可曾看见过一只白鸽吗?""没有!"太阳真的说话了,"我没有看见白鸽,但我送给你一个小匣子,在你最需要帮助时就打开它。"她很感激地向太阳道谢之后,继续寻找着白鸽的踪迹。
随着夜幕的降临,月亮慢慢地升起来了,看到月光映着大地,她对着月亮大声喊道:"月亮啊!你的清辉整夜照映在山川田野之上,你可曾看见过一只白鸽吗?""没有!"月亮真的说话了,"我帮不了你的忙,但我送给你一只鸡蛋,在你最需要之时就打碎它。"她真诚地向月亮道谢之后,又继续寻找着白鸽的踪迹。
晚风吹拂过来,吹到她身边时,她大声说道:"晚风啊!你穿过树林,拂过林梢,摇动着树叶,你可曾看见过一只白鸽吗?""没有!"晚风真的说话了,"但我可以问问其它的风儿,它们也许看见过。"东风和西风来了,它们都说没有看见白鸽,但南风却说道:"我看见过这只白鸽,他飞到红海去了。因为七年已经过去,他变成了一只狮子。此刻他正在和一条飞龙搏斗,那条龙是一个被施了魔法的公主,她想把你和他分开呢。"听到这消息后,晚风说道:"我告诉你一个诀窍,你到红海去,靠右边的岸上有一排柳树枝,你按顺序数过去,数到第十一枝时,将它折断,然后用柳树枝去抽打那条龙,狮子就会赢得胜利。他们两个也会变回人的样子出现在你面前,千万记住,你要立即上前挽着你心爱的王子动身回家。"
于是,这可怜的人儿又踏上了追寻之路,来到了红海。 一切正如晚风所说的一样,她拔下第十一棵柳树枝,用力抽打那条飞龙。 刹那间,狮子变成了王子,飞龙也变成了一位公主。 惊喜之下,她竟把晚风给她的告诫忘了,结果让那个公主看准机会,用手臂挽着王子,带着他离去了。
这位远道而来的不幸女人又被抛弃了,孤独凄凉又伴随着她。 但是,她没有气馁,仍然鼓足勇气说道:"我要继续追寻他,只要是风能吹到的地方,有公鸡啼叫的地方,哪怕是天涯海角,我也去寻找,一定要再次找到他为止。"她又开始了艰难的跋涉。
功夫不负有心人,她终于来到了一座城堡,王子正是被公主带到了这里。 看来这儿正筹备着一个宴会,她向路人一打听,原来是要举行一个结婚宴会。 "啊!上帝保佑我!"她说道。 然后拿出太阳送给她的小匣子,打开一看,里面放着的是一套闪烁着阳光般光彩的令人眩目的礼服。 她穿上礼服,走进了王宫,所有的人都把目光移到了她身上。 新娘看见她穿的礼服,非常羡慕,问她是否愿意出卖,她回答说:"金子和银子是买不到的,除非用血和肉才能换取。"公主不懂她的话,问她是什么意思,她说:"今天晚上,让我在新郎的房内和他谈一次话,我就把这礼服送给你。"公主最后同意了。 但她吩咐她的仆人给王子喝一杯安眠药水,让他既不可能听到这个女人说话,也不可能看到她。
到了晚上,王子睡着了,她被带到他的房间里。 她在他靠近脚的一头坐下说道:"我追寻你有七年了,太阳、月亮、晚风都帮我寻找你,最后我帮你战胜了飞龙,难道你就把我完全给忘了吗?"可惜王子此时睡得正香,她的话传到他耳朵里,迷迷糊糊就好像是风拂过杉树的沙沙声响。
第二天早晨,她被带了出去,无可奈何之下,只得交出了那件金光闪闪的礼服。 看到自己的努力竟毫无结果,她走出王宫,伤心得跑到外面的草地上便瘫了下来,失声痛哭。 坐了一会儿,她想起了月亮送给自己的那个鸡蛋,马上将蛋拿出来打碎,从蛋里面立即跑出一只纯金的母鸡和十二只纯金的小鸡。 它们一出壳就在四周唧唧地闹着玩耍起来,又依偎在母鸡的翅膀下面,构成了一幅世间最美的画卷。 看着这群美丽可爱的金鸡,她站起来极不情愿地赶着它们向王宫走去。 听到小鸡诱人的叫声,新娘从窗户里探出头来看到了可爱的鸡群,便兴奋地跑出来,问她是不是愿意出卖这群金鸡。 "金子和银子是买不到的,除非用血和肉才能换取。"公主又想和昨天一样来欺骗她,就答应了她的要求。
但公主没有料到,晚上王子来到房间里时,他问仆人为什么昨晚风吹得沙沙地响。 仆人心虚,只好把一切都告诉了王子:他如何给王子服安眠药水,而一个可怜的少妇来到王子的房间里对他诉说不止,他却在呼呼大睡,今晚她还要来这儿等等。 王子听过之后,小心翼翼地倒掉了安眠药水,睡在了床上。 待那少妇到来又开始向他诉说自己的悲哀与不幸、诉说自己对他的爱是多么的忠贞不移时,他听出了这是他心爱的妻子的声音。 他一下子跳了起来,说道:"啊!你把我从梦魇中唤醒了,因为我被这个陌生的公主用咒语迷住,完全把你忘记了,在这幸福的时刻,我要感谢上帝又把你送回到我的身边。"
他们害怕被公主发现,于是,趁着黑夜悄悄地逃出王宫,夜以兼程地向自己的家园赶去。 他们终于又见到了自己的孩子了,孩子已经长大,看起来真是神采飘逸,俊美非常,人见人爱。 一家人终于又团聚在一起了,他们消除了魔障,过上了正常人的幸福生活,一辈子再也没有分离过。
Es war einmal ein Mann, der hatte eine große Reise vor, und beim Abschied fragte er seine drei Töchter, was er ihnen mitbringen sollte. Da wollte die älteste Perlen, die zweite wollte Diamanten, die dritte aber sprach: "Lieber Vater, ich wünsche mir ein singendes, springendes Löweneckerchen (Lerche)." Der Vater sagte: "Ja, wenn ich es kriegen kann, sollst du es haben," küsste alle drei und zog fort. Als nun die Zeit kam, dass er wieder auf dem Heimweg war, so hatte er Perlen und Diamanten für die ältesten gekauft, aber das singende, springende Löweneckerchen für die Jüngste hatte er umsonst aller Orten gesucht, und das tat ihm leid, denn sie war sein liebstes Kind.
Da führte ihn der Weg durch einen Wald, und mitten darin war ein prächtiges Schloss, und nah am Schloss stand ein Baum, ganz oben auf der Spitze des Baums aber sah er ein Löweneckerchen singen und springen. "Ei, du kommst mir gerade recht" sagte er ganz vergnügt und rief seinem Diener, er sollte hinaufsteigen und das Tierchen fangen. Wie er aber zu dem Baum trat, sprang ein Löwe darunter auf, schüttelte sich und brüllte, dass das Laub an den Bäumen zitterte. "Wer mir mein singendes, springendes Löweneckerchen stehlen will," rief er, "den fresse ich auf!" Da sagte der Mann: "Ich habe nicht gewusst, dass der Vogel dir gehört, ich will mein Unrecht wieder gutmachen und mich mit schwerem Gelde loskaufen: lass mir nur das Leben!" Der Löwe sprach: "Dich kann nichts retten, als wenn du mir zu eigen versprichst, was dir daheim zuerst begegnet; willst du das aber tun, so schenke ich dir das Leben und den Vogel für deine Tochter obendrein." Der Mann aber weigerte sich und sprach: "Das könnte meine jüngste Tochter sein, die hat mich am liebsten und läuft mir immer entgegen, wenn ich nach Haus komme." Dem Diener aber war angst, und er sagte: "Muss Euch denn gerade Eure Tochter begegnen, es könnte ja auch eine Katze oder ein Hund sein." Da ließ sich der Mann überreden, nahm das singende, springende Löweneckerchen und versprach dem Löwen zu eigen, was ihm daheim zuerst begegnen würde.
Wie er daheim anlangte und in sein Haus eintrat, war das erste, was ihm begegnete, niemand anders als seine jüngste, liebste Tochter: Die kam gelaufen, küsste und herzte ihn, und als sie sah, dass er ein singendes, springendes Löweneckerchen mitgebracht hatte, war sie außer sich vor Freude. Der Vater aber konnte sich nicht freuen, sondern fing an zu weinen und sagte: "Mein liebstes Kind, den kleinen Vogel habe ich teuer gekauft, ich habe dich dafür einem wilden Löwen versprechen müssen, und wenn er dich hat, wird er dich zerreißen und fressen," und erzählte ihr da alles wie es zugegangen war, und bat sie, nicht hinzugehen, es möchte auch kommen, was da wolle. Sie tröstete ihn aber und sprach: "Liebster Vater, was Ihr versprochen habt, muss auch gehalten werden: Ich will hingehen und will den Löwen schon besänftigen, dass ich wieder gesund zu Euch komme."
Am andern Morgen ließ sie sich den Weg zeigen, nahm Abschied und ging getrost in den Wald hinein. Der Löwe aber war ein verzauberter Königssohn und war bei Tag ein Löwe, und mit ihm wurden alle seine Leute Löwen, in der Nacht aber hatten sie ihre natürliche menschliche Gestalt. Bei ihrer Ankunft ward sie freundlich empfangen und in das Schloss geführt. Als die Nacht kam, war er ein schöner Mann, und die Hochzeit ward mit Pracht gefeiert. Sie lebten vergnügt miteinander, wachten in der Nacht und schliefen am Tag.
Zu einer Zeit kam er und sagte: "Morgen ist ein Fest in deines Vaters Haus, weil deine älteste Schwester sich verheiratet, und wenn du Lust hast hinzugehen, so sollen dich meine Löwen hinführen." Da sagte sie, ja, sie möchte gerne ihren Vater wiedersehen, fuhr hin und ward von den Löwen begleitet. Da war große Freude, als sie ankam, denn sie hatten alle geglaubt, sie wäre von dem Löwen zerrissen worden und schon lange nicht mehr am Leben. Sie erzählte aber, was sie für einen schönen Mann hätte und wie gut es ihr ginge, und blieb bei ihnen, so lang die Hochzeit dauerte, dann fuhr sie wieder zurück in den Wald. Wie die zweite Tochter heiratete und sie wieder zur Hochzeit eingeladen war, sprach sie zum Löwen: "Diesmal will ich nicht allein sein, du musst mitgehen!" Der Löwe aber sagte, das wäre zu gefährlich für ihn, denn wenn dort der Strahl eines brennenden Lichts ihn berührte, so würde er in eine Taube verwandelt und müsste sieben Jahre lang mit den Tauben fliegen. "Ach," sagte sie, "geh nur mit mir! Ich will dich schon hüten und vor allem Licht bewahren." Also zogen sie zusammen und nahmen auch ihr kleines Kind mit. Sie ließ dort einen Saal mauern, so stark und dick, dass kein Strahl durchdringen konnte, darin sollt' er sitzen, wann die Hochzeitslichter angesteckt würden. Die Tür aber war von frischem Holz gemacht, das sprang und bekam einen kleinen Ritz, den kein Mensch bemerkte. Nun ward die Hochzeit mit Pracht gefeiert, wie aber der Zug aus der Kirche zurückkam mit den vielen Fackeln und Lichtern an dem Saal vorbei, da fiel ein haarbreiter Strahl auf den Königssohn, und wie dieser Strahl ihn berührt hatte, in dem Augenblick war er auch verwandelt, und als sie hineinkam und ihn suchte, sah sie ihn nicht, aber es saß da eine weiße Taube. Die Taube sprach zu ihr: "Sieben Jahr muss ich in die Welt fortfliegen; alle sieben Schritte aber will ich einen roten Blutstropfen und eine weiße Feder fallen lassen, die sollen dir den Weg zeigen, und wenn du der Spur folgst, kannst du mich erlösen."
Da flog die Taube zur Tür hinaus, und sie folgte ihr nach, und alle sieben Schritte fiel ein rotes Blutströpfchen und ein weißes Federchen herab und zeigte ihr den Weg. So ging sie immerzu in die weite Welt hinein und schaute nicht um sich und ruhte nicht, und waren fast die sieben Jahre herum: Da freute sie sich und meinte, sie wären bald erlöst, und war noch so weit davon. Einmal, als sie so fortging, fiel kein Federchen mehr und auch kein rotes Blutströpfchen, und als sie die Augen aufschlug, so war die Taube verschwunden. Und weil sie dachte: Menschen können dir da nicht helfen, so stieg sie zur Sonne hinauf und sagte zu ihr: "Du scheinst in alle Ritzen und über alle Spitzen, hast du keine weiße Taube fliegen sehen?" - "Nein," sagte die Sonne, "ich habe keine gesehen, aber da schenk ich dir ein Kästchen, das mach auf, wenn du in großer Not bist." Da dankte sie der Sonne und ging weiter, bis es Abend war und der Mond schien, da fragte sie ihn: "Du scheinst ]a die ganze Nacht und durch alle Felder und Wälder, hast du keine weiße Taube fliegen sehen?" - "Nein," sagte der Mond, "ich habe keine gesehen, aber da schenk ich dir ein Ei, das zerbrich, wenn du in großer Not bist." Da dankte sie dem Mond und ging weiter, bis der Nachtwind herankam und sie anblies. Da sprach sie zu ihm: "Du wehst ja über alle Bäume und unter allen Blättern weg, hast du keine weiße Taube fliegen sehen?" - "Nein," sagte der Nachtwind, "ich habe keine gesehen, aber ich will die drei andern Winde fragen, die haben sie vielleicht gesehen." Der Ostwind und der Westwind kamen und hatten nichts gesehen, der Südwind aber sprach: "Die weiße Taube habe ich gesehen, sie ist zum Roten Meer geflogen, da ist sie wieder ein Löwe geworden, denn die sieben Jahre sind herum, und der Löwe steht dort im Kampf mit einem Lindwurm, der Lindwurm ist aber eine verzauberte Königstochter." Da sagte der Nachtwind zu ihr: "Ich will dir Rat geben, geh zum Roten Meer, am rechten Ufer da stehen große Ruten, die zähle, und die elfte schneid ab und schlag den Lindwurm damit, dann kann ihn der Löwe bezwingen, und beide bekommen auch ihren menschlichen Leib wieder. Hernach schau dich um, und du wirst den Vogel Greif sehen, der am Roten Meer sitzt, schwing dich mit deinem Liebsten auf seinen Rücken; der Vogel wird euch übers Meer nach Haus tragen. Da hast du auch eine Nuss, wenn du mitten über dem Meere bist, lass sie herabfallen, alsbald wird sie aufgehen, und ein großer Nussbaum wird aus dem Wasser hervor wachsen, auf dem sich der Greif ausruht; und könnte er nicht ruhen, so wäre er nicht stark genug, euch hinüberzutragen. Und wenn du vergisst, die Nuss herab zuwerfen, so lässt er euch ins Meer fallen."
Da ging sie hin und fand alles, wie der Nachtwind gesagt hatte. Sie zahlte die Ruten am Meer und schnitt die elfte ab, damit schlug sie den Lindwurm, und der Löwe bezwang ihn; alsbald hatten beide ihren menschlichen Leib wieder. Aber wie die Königstochter, die vorher ein Lindwurm gewesen war, vom Zauber frei war, nahm sie den Jüngling in den Arm, setzte sich auf den Vogel Greif und führte ihn mit sich fort. Da stand die arme Weitgewanderte und war wieder verlassen und setzte sich nieder und weinte. Endlich aber ermutigte sie sich und sprach: "Ich will noch so weit gehen, als der Wind weht und so lange als der Hahn kräht, bis ich ihn finde." Und ging fort lange, lange Wege, bis sie endlich zu dem Schloss kam, wo beide zusammen lebten. Da hörte sie, dass bald ein Fest wäre, wo sie Hochzeit miteinander machen wollten. Sie sprach aber: "Gott hilft mir noch," und öffnete das Kästchen, das ihr die Sonne gegeben hatte, da lag ein Kleid darin, so glänzend wie die Sonne selber. Da nahm sie es heraus und zog es an und ging hinauf in das Schloss und alle Leute und die Braut selber sahen sie mit Verwunderung an. Und das Kleid gefiel der Braut so gut, dass sie dachte, es könnte ihr Hochzeitskleid geben, und fragte, ob es nicht feil wäre. "Nicht für Geld und Gut," antwortete sie," aber für Fleisch und Blut." Die Braut fragte, was sie damit meinte. Da sagte sie: "Lasst mich eine Nacht in der Kammer schlafen, wo der Bräutigam schläft." Die Braut wollte nicht und wollte doch gerne das Kleid haben, endlich willigte sie ein, aber der Kammerdiener musste dem Königssohn einen Schlaftrunk geben. Als es nun Nacht war und der Jüngling schon schlief, ward sie in die Kammer geführt. Da setzte sie sich ans Bett und sagte: "Ich bin dir nachgefolgt sieben Jahre, bin bei Sonne und Mond und bei den vier Winden gewesen und habe nach dir gefragt und habe dir geholfen gegen den Lindwurm; willst du mich denn ganz vergessen?" Der Königssohn aber schlief so hart, dass es ihm nur vorkam, als rauschte der Wind draußen in den Tannenbäumen. Wie nun der Morgen anbrach, da ward sie wieder hinausgeführt und musste das goldene Kleid hingeben. Und als auch das nichts geholfen hatte, ward sie traurig, ging hinaus auf eine Wiese, setzte sich da hin und weinte. Und wie sie so saß, da fiel ihr das Ei noch ein, das ihr der Mond gegeben hatte. Sie schlug es auf, da kam eine Glucke heraus mit zwölf Küchlein ganz von Gold, die liefen herum und piepten und krochen der Alten wieder unter die Flügel, so dass nichts Schöneres auf der Welt zu sehen war. Da stand sie auf, trieb sie auf der Wiese vor sich her, so lange, bis die Braut aus dem Fenster sah, und da gefielen ihr die kleinen Küchlein so gut, dass sie gleich herabkam und fragte, ob sie nicht feil wären. "Nicht für Geld und Gut, aber für Fleisch und Blut; lasst mich noch eine Nacht in der Kammer schlafen wo der Bräutigam schläft!" Die Braut sagte ja und wollte sie betrügen wie am vorigen Abend. Als aber der Königssohn zu Bett ging, fragte er seinen Kammerdiener, was das Murmeln und Rauschen in der Nacht gewesen sei. Da erzählte der Kammerdiener alles, dass er ihm einen Schlaftrunk hätte geben müssen, weil ein armes Mädchen heimlich in der Kammer geschlafen hätte, und heute Nacht sollte er ihm wieder einen geben! Sagte der Königssohn: "Gieß den Trank neben das Bett!" Zur Nacht wurde sie wieder hereingeführt und als sie anfing zu erzählen, wie es ihr traurig ergangen wäre, da erkannte er gleich an der Stimme seine liebe Gemahlin, sprang auf und rief: "Jetzt bin ich erst recht erlöst, mir ist gewesen wie in einem Traum, denn die fremde Königstochter hatte mich bezaubert dass ich dich vergessen musste, aber Gott hat noch zu rechter Stunde die Betörung von mir genommen." Da gingen sie beide in der Nacht heimlich aus dem Schloss, denn sie fürchteten sich vor dem Vater der Königstochter, der ein Zauberer war, und setzten sich auf den Vogel Greif, der trug sie über das Rote Meer, und als sie in der Mitte waren, ließ sie die Nuss fallen. Alsbald wuchs ein großer Nussbaum, darauf ruhte sich der Vogel und dann führte er sie nach Haus, wo sie ihr Kind fanden, das war groß und schön geworden, und sie lebten von nun an vergnügt bis an ihr Ende.